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10. Juli 2012

Rundschreiben VII/2012

In monatlicher Abfolge informieren wir unsere Mandanten über ausgewählte Entscheidungen speziell der Finanzgerichte und Anweisungen der Finanzverwaltung.

Die Informationen sind sorgfältig aus verlässlichen Quellen herausgesucht und bearbeitet. Gleichwohl kann weder eine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit, noch jedwede Haftung übernommen werden. Die Nutzung der angebotenen Informationen erfolgt auf eigenes Risiko.

Hinweise und Tipps haben lediglich allgemeinen Charakter und sind in jeder Hinsicht unverbindlich. Sie können eine konkrete Einzelfallberatung nicht ersetzen.

I. Wichtige Steuer- und Sozialversicherungstermine

1. Juli 2012

10.07.2012:

  • Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer für Monatszahler
  • Umsatzsteuer für Monatszahler

 

25.07.2012:

  • Sozialversicherungsbeitrag

 

Die Schonfrist für die am 10.07.2012 fälligen Steuern endet am 13.07.2012. Für den Sozialversicherungsbeitrag wird kein Säumniszuschlag erhoben, wenn der Beitrag bis zum 27.07.2012 auf dem Bankkonto des Sozialversicherungsträgers gutgeschrieben ist.

2. August 2012

10.08.2012:

  • Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer für Monatszahler
  • Umsatzsteuer für Monatszahler und Quartalszahler

15.08.2012

  • Gewerbesteuer *
  • Grundsteuer

 

25.08.2012:

  • Sozialversicherungsbeitrag

 

Die Schonfrist für die am 10.08.2012 fälligen Steuern endet am 13.08.2012, für die am 15.08. fälligen Steuern endet die Schonfrist am 20.08.2012. Für die Sozialversicherungsbeiträge wird kein Säumniszuschlag erhoben, wenn diese bis zum 29.08.2012 beim Sozialversicherungsträger gutgeschrieben sind.

 

* Soweit der 15.08.2012 regional ein Feiertag ist, können sich Abweichungen bei den Fälligkeiten ergeben.


II. Aus der Gesetzgebung

Referentenentwurf eines Jahresteuergesetzes 2013 in der von der Bundesregierung beschlossenen Fassung

Nachdem das Bundesfinanzministerium (BMF) den Referentenentwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 vorgelegt hatte (vgl. unser Rundschreiben IV/2012), liegt nunmehr der Entwurf in der von der Bundesregierung mit Datum vom 23.05.2012 beschlossenen Fassung vor. Ein Jahressteuergesetz umfasst eigentlich redaktionelle Maßnahmen, technische Regelungen und Folgeänderungen mit eher geringen fiskalischen Wirkungen. Das Jahressteuergesetz 2013 hat es nach unserer Auffassung jedoch in sich. Die vorgesehenen Änderungen sind materiell teilweise von großer Bedeutung.

Einen ersten Überblick geben wir wie folgt:

Einkommensteuer

Künftig soll nur noch der Wehrsold für die den freiwilligen Wehrdienst und freiwillige Wehrübungen Leistenden nach § 2 Abs. 1 WSG steuerfrei sein. Andere Bezüge, z. B. Wehrdienstzuschlag, besondere Zuwendungen sowie unentgeltliche Unterkunft und Verpflegung, sind zukünftig steuerpflichtig.

Auch das für den Bundesfreiwilligendienst gezahlte Taschengeld soll nach § 3 Nr. 5 EStG-E steuerfrei gestellt werden. Weitere Bezüge, wie z. B. unentgeltliche Unterkunft und Verpflegung bleiben dagegen steuerpflichtig.

Bei der Ermittlung der privaten Kraftfahrzeugnutzung nach der 1-%-Regelung wird der Listenpreis für Elektro- und Hybridelektrofahrzeuge um die darin enthaltenen Kosten für das Batteriesystem gemindert. Die Kosten für das Batteriesystem werden pauschal ermittelt, indem der Bruttolistenpreis in Höhe von 500 € pro kWh Speicherkapazität der Batterie gemindert wird.

Künftig soll ein Arbeitnehmer beantragen können, dass ein im Lohnsteuerabzugsverfahren zu berücksichtigender Freibetrag für zwei Kalenderjahre statt für ein Kalenderjahr gilt.

Eine Vielzahl von Änderungen ist für den Kapitalertragsteuerabzug vorgesehen, u. a. handelt es sich um Vereinfachungsregelungen beim Steuereinbehalt und beim Erstattungsverfahren, aber auch um Erweiterungen für bestimmte, bisher nicht einbezogene Erträge.

Außensteuergesetz (AStG)

Durch Änderungen des § 1 AStG wird die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf grenzüberschreitende Betriebsstättenfälle sowie auf grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen von Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften ausgedehnt. Dies stellt sicherlich eine erhebliche Erweiterung der Dokumentationspflichten der betroffenen Steuerpflichtigen dar und erhöht das Risiko, dass bisher im Ausland versteuerte Gewinne in die deutsche Bemessungsgrundlage einbezogen werden.

Umsatzsteuer

Zukünftig werden auch Leistungen, die ein Arzt erbringt, damit u. a. andere Ärzte und Krankenhäuser bei der Ausübung ihrer Heilbehandlungstätigkeit die medizinisch unerlässlichen und gesetzlich vorgeschriebenen infektionshygienischen Anforderungen im Einzelfall erfüllen, als steuerbefreite Heilbehandlungsleistungen angesehen.

Die Steuerbefreiung für kulturelle Einrichtungen von Gebietskörperschaften sowie gleichartige Einrichtungen anderer Unternehmer, soweit diese gleiche kulturelle Aufgaben erfüllen, wird künftig auf die Leistungen der Bühnenregisseure und Bühnenchoreographen – an Theatern und Opernhäusern – ausgeweitet.

Verfahrensrecht

Die bisher maßgebliche Aufbewahrungsfrist für Steuerunterlagen soll in einem ersten Schritt ab 2013 auf acht Jahre und in einem weiteren Schritt ab 2015 auf sieben Jahre verkürzt werden.

Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 AO und Vorlageverlangen nach § 97 AO sollen künftig als gleichwertige Ermittlungsinstrumente eingestuft werden. Dies führt im Ergebnis dazu, dass die Finanzverwaltung künftig die sofortige Vorlage von Unterlagen – ohne vorheriges Auskunftsersuchen – verlangen kann.

Die bisher schon für Ehegatten geltenden Bestimmungen des 5. Vermögensbildungsgesetzes – z.B. Regelungen zur Unschädlichkeit vorzeitiger Verfügungen und die Anlage von vermögenswirksamen Leistungen zugunsten des Ehegatten – sind künftig auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften anzuwenden.

EU-Amtshilfegesetz

Mit dem neu eingeführten EU-Amtshilfegesetz wird die so genannte EU-Amtshilferichtlinie in nationales Recht umgesetzt. Das Gesetz regelt die Einzelheiten des Austauschs von Informationen in Steuersachen zwischen Deutschland und anderen Mitgliedstaaten der EU. Hierdurch soll eine effizientere Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten ermöglicht werden.


III. Aus der Rechtsprechung und der Steuerverwaltung

1. Einkommensteuer; § 7g EStG-Abschreibungen auf Photovoltaikanlagen

Die Sonderabschreibung nach § 7g EStG setzt u. a. voraus, dass das angeschaffte Wirtschaftsgut ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblichen Zwecken dient. Nach Rn. 46 des BMF-Schreibens vom 8. 5. 2009 (BStBl 2009 I S. 633) wird ein Wirtschaftsgut ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt, wenn es der Steuerpflichtige zu nicht mehr als 10 % privat nutzt. Maßgeblich kommt es dabei auf die unmittelbare Verwendung des Wirtschaftsguts an, für das ein Investitionsabzugsbetrag in Anspruch genommen werden soll. Die Verwendung des durch die Photovoltaikanlage produzierten Stroms zu mehr als 10 % für private Zwecke spricht dabei nicht gegen die Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags nach § 7g EStG. Auf die spätere Sachentnahme des produzierten Wirtschaftsguts „Strom” kommt es nach der Verfügung der OFD Niedersachsen vom 26. 3. 2012 – S 2183b - 42 - St 226 bei der Beurteilung der betrieblichen Nutzung des produzierten Wirtschaftsguts „Photovoltaikanlage” nicht an.

2. Umsatzsteuer; Beleg- und Buchnachweispflichten bei der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen; erneute Verlängerung der Nichtbeanstandungsregelungen im Zusammenhang mit der Gelangenheitsbescheinigung

Durch die „Zweite Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen” vom 2. 12. 2011 (BGBl 2011 I S. 2416) wurden u. a. die §§ 17a, 17b und 17c UStDV mit Wirkung vom 1. 1. 2012 geändert. Damit wurden für die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen neue Nachweisregelungen geschaffen. Die Vertreter des Bundes und der Länder haben auf Fachebene angesichts der Kritik der Wirtschaft an der Gelangensbestätigung eine (erneute) Änderung der UStDV befürwortet. Die Nichtbeanstandungsregelung wird daher mit BMF-Schreiben vom 1. 6. 2012 - IV D 3 - S - 7141/11/10003-06 bis zum Inkrafttreten der erneuten Änderung der UStDV verlängert. Mit der Änderung sollen in erster Linie die in dem derzeitigen Entwurf des BMF-Einführungsschreibens vorgesehenen Vereinfachungen und Erleichterungen abgesichert werden. Zusätzlich wird geprüft, ob weitere Vereinfachungen (auch mit Bezug auf die bisherigen Belege wie die sog. weiße Spediteursbescheinigung) möglich sind. Keinesfalls kann aber – wie teilweise von Verbandsseite gefordert – hinter die bis zum 31. 12. 2011 geltende Rechtslage zurückgegangen werden.

3. Bilanzierung; Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen

Nach dem BFH-Urteil vom 26. 4. 2012 – IV R 43/09 ist eine Rückstellung für Pensionsverpflichtungen nicht zu bilden, wenn eine Inanspruchnahme am maßgeblichen Bilanzstichtag infolge eines Schuldbeitritts nicht (mehr) wahrscheinlich ist. Dagegen ist ein Freistellungsanspruch wegen des Schuldbeitritts zu den Pensionsverpflichtungen in einem solchen Fall nicht zu aktivieren (gegen BMF-Schreiben vom 16. 12. 2005, BStBl 2005 I S. 1052).

 

4. Einkommensteuer; Schuldzinsenabzug bei auf ein Kontokorrentkonto ausgezahltes Investitionsdarlehen

 

Das BFH-Urteil vom 23. 2. 2012 - IV R 19/08 lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Ob Schuldzinsen i. S. des § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vorliegen [die nicht in abzugsfähig und nichtabzugsfähig aufgeteilt werden; Anmerkung des Verfassers], bestimmt sich ausschließlich nach der tatsächlichen Verwendung der Darlehensmittel.
  2. Es wird unwiderlegbar vermutet, dass auf ein Kontokorrentkonto ausgezahlte Darlehensmittel zur Finanzierung solcher Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens verwendet wurden, die innerhalb von 30 Tagen vor oder nach Auszahlung der Darlehensmittel tatsächlich über das entsprechende Kontokorrentkonto finanziert wurden. Beträgt der Zeitraum mehr als 30 Tage, muss der Steuerpflichtige den erforderlichen Finanzierungszusammenhang zwischen Auszahlung der Darlehensmittel und Bezahlung der Wirtschaftsgüter nachweisen.
  3. Die Finanzierung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens durch Belastung des Kontokorrentkontos reicht aus, um die dadurch veranlassten Schuldzinsen von der Überentnahmeregelung auszunehmen (entgegen Rn. 27 des BMF-Schreibens vom 17. 11. 2005, BStBl 2005 I S. 1019).

5. Einkommensteuer; Sanierung eines mit echtem Hausschwamm befallenen Gebäudes als außergewöhnliche Belastungen

Nach dem BFH-Urteil vom 29. 3. 2012 – VI R 70/10 stellen Aufwendungen zur Sanierung eines mit echtem Hausschwamm befallenen Gebäudes im Einzelfall ein unabwendbares Ereignis dar, wenn der Befall unentdeckt bleibt, die konkrete Gefahr der Unbewohnbarkeit eines Gebäudes droht und daraus eine aufwendige Sanierung folgt.

 

6. Einkommensteuer; Halb- bzw. Teilabzugsverbot bei Betriebsaufspaltung I (BFH)

Nach dem am 4.7.2012 veröffentlichten Urteil des BFH vom 18.4.2012 – X R 7/10 unterliegen Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen – unabhängig von der Frage der Fremdüblichkeit der Darlehensüberlassung und einer etwaigen Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis – nicht dem Halb- bzw. Teilabzugsverbot (gegen BMF, BStBl I 2010 S. 1292, Nr. 2). Diese Grundsätze gelten auch entsprechend im Falle des Verzichts auf ein nicht mehr werthaltiges Gesellschafterdarlehen.

7. Einkommensteuer; Halb- bzw. Teilabzugsverbot bei Betriebsaufspaltung II (BFH)

Substanzbezogene Wertminderungen von Rückgriffsforderungen aus der Inanspruchnahme aus im Betriebsvermögen gehaltenen Bürgschaften eines Gesellschafters für seine Gesellschaft sowie eine Rückstellungsbildung für die drohende Inanspruchnahme aus solchen Bürgschaften unterfallen nicht dem Halb- bzw. Teilabzugsverbot (BFH, Urteil  v. 18.4.2012 - X R 5/10; veröffentlicht am 4.7.2012).

8. Umsatzsteuer; Steuersatz auf Leistungen einer gemeinnützigen GmbH im Rahmen eines Zweckbetriebs

Der BFH hat mit Urteil vom 8. 3. 2012 – V R 14/11 u. a. entschieden, dass Übernachtungsleistungen, die ein gemeinnütziger Verein im Zusammenhang mit steuerfreien Seminaren erbringt, nicht gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG dem ermäßigten Steuersatz unterfallen.

 

9. Lohnsteuer; Werbungskosten durch Aufwendungen für arbeitsgerichtlichen Vergleich

Nach dem BFH-Urteil vom 9. 2. 2012 – VI R 23/10 besteht regelmäßig eine Vermutung dafür, dass Aufwendungen für aus dem Arbeitsverhältnis folgende zivil- und arbeitsgerichtliche Streitigkeiten einen den Werbungskostenabzug rechtfertigenden hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang zu den Lohneinkünften aufweisen. Dies gilt dabei grundsätzlich auch, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer über solche streitigen Ansprüche im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs einigen.

 


IV. Aus anderen Rechtsgebieten

1. Erbrecht; Pflichtteilsberechtigung bei Verzicht des näheren Abkömmlings (BGH)

Der BGH hat entschieden, dass Pflichtteilsansprüche eines weiter entfernten Abkömmlings nicht durch letztwillige oder lebzeitige Zuwendungen des Erblassers geschmälert werden, die der Erblasser einem trotz Erb- und Pflichtteilsverzichts testamentarisch zum Alleinerben bestimmten näheren Abkömmling zukommen lässt, wenn beide Abkömmlinge demselben Stamm gesetzlicher Erben angehören und allein dieser Stamm bedacht wird (BGH, Urteil v. 27.6.2012 - IV ZR 239/10).

2. Gesellschaftsrecht; Satzungsregelung zum Umfang der Gründungskosten einer Unter-nehmergesellschaft i. Gr.

Die Unternehmergesellschaft (UG) ist eine Variante der GmbH. Auf sie finden die allgemeinen die GmbH betreffenden Vorschriften Anwendung. Folglich ist erforderlich, dass nicht nur Firma und Unternehmensgegenstand einer solchen Gesellschaft – sowohl hinsichtlich ihrer Unterscheidungskraft als auch hinsichtlich der Individualisierung des Geschäftsgegenstands – den Anforderungen des § 18 HGB bzw. § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG genügen müssen. Es sind außerdem die von der UG zu tragenden Gründungskosten in der Gründungssatzung so hinreichend zu bestimmen, dass ein Dritter allein aus der Satzungsformulierung erkennen kann, ob bestimmte Kosten von der Gesellschaft erstattet werden (§ 26 Abs. 2 AktG analog). So entschied das Kammergericht Berlin mit Beschluss vom 28.2.2012 – 25 W 88/11.

 

3. Gesellschaftsrecht; Besondere Form der Anmeldung des Ausscheidens des Geschäftsführers durch Prokuristen

Im Hinblick auf den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 16.3.2012 - I-3 Wx 296/11, (rechtskräftig) ist darauf hinzuweisen, dass jede Änderung in den Personen der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden sind (§ 39 Abs. 1 GmbHG). Diese Anmeldung ist Pflicht des Geschäftsführers, kann aber im Einzelfall auch durch einen Bevollmächtigten erfolgen. Die Bevollmächtigung ist dann aber nur zulässig, sofern die Vollmacht diesen Inhalt hat und abweichend von § 167 Abs. 2 BGB elektronisch in öffentlich beglaubigter Form (§ 12 HGB) nachgewiesen wird. Daher reicht der gesetzliche Umfang von Prokura und Handlungsvollmacht als Bevollmächtigung für die Anmeldung über die Niederlegung des Amts des Geschäftsführers nicht aus. Dieses schon deshalb nicht, weil es sich dabei im Hinblick auf die einem Geschäftsführer zukommende Organstellung um einen Vorgang über die Grundlagen des kaufmännischen Unternehmens handelt.

4. Haftungsrecht; Prospekthaftungsanspruch gegen die Gründungsgesellschafter einer Publikums-KG

Nach dem BGH-Urteil vom 23.4.2012 – II ZR 211/09 hat ein Anleger, der einem geschlossenen Publikums-Immobilienfonds in Form einer KG über eine Treuhandkommanditistin beitritt, Schadensersatzansprüche gegen den Gründungsgesellschafter aus Prospekthaftung im weiteren Sinn, wenn er als Treugeber nach dem Gesellschaftsvertrag wie ein unmittelbar beitretender Gesellschafter behandelt werden soll.

 

5. Gesellschaftsrecht; Pflicht zur unverzüglichen Vorlage des Prüfergebnisses bei Anzeichen einer Krise

Die Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers insbesondere im Zusammenhang mit dem Eintritt einer Krise sind Gegenstand des Urteils des BGH vom 27. 3. 2012 - II ZR 171/10. Danach hat ein GmbH-Geschäftsführer, der nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss, sich bei Anzeichen einer Krise der Gesellschaft unverzüglich von einer unabhängigen Person beraten zu lassen, die für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifiziert ist. Dabei darf er es nicht damit bewenden lassen, dass er einen umgehenden Prüfungsauftrag erteilt hat. Er muss auch auf eine unverzügliche Vorlage des Prüfergebnisses hinwirken. Die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls, bei denen auch die Größe des zu beurteilenden Unternehmens zu berücksichtigen sein kann, erfordern u. U. die Beratung durch zusätzliche geeignete Angehörige anderer Berufsgruppen.

6. Mietrecht; Keine Anpassung der Vorauszahlung bei fehlerhafter Betriebskostenabrechnung

Der Vermieter ist nach einer Nebenkostenabrechnung zur Anpassung von Vorauszahlungen gem. § 560 Abs. 4 BGB nur insoweit berechtigt, als sie auf einer inhaltlich korrekten Abrechnung beruht (BGH-Urteile vom 15. 5. 2012 - VIII ZR 245/11 und VIII ZR 246/11).

 

(10.07.2012, Redaktion: Neulken & Partner)

10. Juli 2012

Rundschreiben VII/2012

In monatlicher Abfolge informieren wir unsere Mandanten über ausgewählte Entscheidungen speziell der Finanzgerichte und Anweisungen der Finanzverwaltung.

Die Informationen sind sorgfältig aus verlässlichen Quellen herausgesucht und bearbeitet. Gleichwohl kann weder eine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit, noch jedwede Haftung übernommen werden. Die Nutzung der angebotenen Informationen erfolgt auf eigenes Risiko.

Hinweise und Tipps haben lediglich allgemeinen Charakter und sind in jeder Hinsicht unverbindlich. Sie können eine konkrete Einzelfallberatung nicht ersetzen.

I. Wichtige Steuer- und Sozialversicherungstermine

1. Juli 2012

10.07.2012:

  • Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer für Monatszahler
  • Umsatzsteuer für Monatszahler

 

25.07.2012:

  • Sozialversicherungsbeitrag

 

Die Schonfrist für die am 10.07.2012 fälligen Steuern endet am 13.07.2012. Für den Sozialversicherungsbeitrag wird kein Säumniszuschlag erhoben, wenn der Beitrag bis zum 27.07.2012 auf dem Bankkonto des Sozialversicherungsträgers gutgeschrieben ist.

2. August 2012

10.08.2012:

  • Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer für Monatszahler
  • Umsatzsteuer für Monatszahler und Quartalszahler

15.08.2012

  • Gewerbesteuer *
  • Grundsteuer

 

25.08.2012:

  • Sozialversicherungsbeitrag

 

Die Schonfrist für die am 10.08.2012 fälligen Steuern endet am 13.08.2012, für die am 15.08. fälligen Steuern endet die Schonfrist am 20.08.2012. Für die Sozialversicherungsbeiträge wird kein Säumniszuschlag erhoben, wenn diese bis zum 29.08.2012 beim Sozialversicherungsträger gutgeschrieben sind.

 

* Soweit der 15.08.2012 regional ein Feiertag ist, können sich Abweichungen bei den Fälligkeiten ergeben.


II. Aus der Gesetzgebung

Referentenentwurf eines Jahresteuergesetzes 2013 in der von der Bundesregierung beschlossenen Fassung

Nachdem das Bundesfinanzministerium (BMF) den Referentenentwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 vorgelegt hatte (vgl. unser Rundschreiben IV/2012), liegt nunmehr der Entwurf in der von der Bundesregierung mit Datum vom 23.05.2012 beschlossenen Fassung vor. Ein Jahressteuergesetz umfasst eigentlich redaktionelle Maßnahmen, technische Regelungen und Folgeänderungen mit eher geringen fiskalischen Wirkungen. Das Jahressteuergesetz 2013 hat es nach unserer Auffassung jedoch in sich. Die vorgesehenen Änderungen sind materiell teilweise von großer Bedeutung.

Einen ersten Überblick geben wir wie folgt:

Einkommensteuer

Künftig soll nur noch der Wehrsold für die den freiwilligen Wehrdienst und freiwillige Wehrübungen Leistenden nach § 2 Abs. 1 WSG steuerfrei sein. Andere Bezüge, z. B. Wehrdienstzuschlag, besondere Zuwendungen sowie unentgeltliche Unterkunft und Verpflegung, sind zukünftig steuerpflichtig.

Auch das für den Bundesfreiwilligendienst gezahlte Taschengeld soll nach § 3 Nr. 5 EStG-E steuerfrei gestellt werden. Weitere Bezüge, wie z. B. unentgeltliche Unterkunft und Verpflegung bleiben dagegen steuerpflichtig.

Bei der Ermittlung der privaten Kraftfahrzeugnutzung nach der 1-%-Regelung wird der Listenpreis für Elektro- und Hybridelektrofahrzeuge um die darin enthaltenen Kosten für das Batteriesystem gemindert. Die Kosten für das Batteriesystem werden pauschal ermittelt, indem der Bruttolistenpreis in Höhe von 500 € pro kWh Speicherkapazität der Batterie gemindert wird.

Künftig soll ein Arbeitnehmer beantragen können, dass ein im Lohnsteuerabzugsverfahren zu berücksichtigender Freibetrag für zwei Kalenderjahre statt für ein Kalenderjahr gilt.

Eine Vielzahl von Änderungen ist für den Kapitalertragsteuerabzug vorgesehen, u. a. handelt es sich um Vereinfachungsregelungen beim Steuereinbehalt und beim Erstattungsverfahren, aber auch um Erweiterungen für bestimmte, bisher nicht einbezogene Erträge.

Außensteuergesetz (AStG)

Durch Änderungen des § 1 AStG wird die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf grenzüberschreitende Betriebsstättenfälle sowie auf grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen von Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften ausgedehnt. Dies stellt sicherlich eine erhebliche Erweiterung der Dokumentationspflichten der betroffenen Steuerpflichtigen dar und erhöht das Risiko, dass bisher im Ausland versteuerte Gewinne in die deutsche Bemessungsgrundlage einbezogen werden.

Umsatzsteuer

Zukünftig werden auch Leistungen, die ein Arzt erbringt, damit u. a. andere Ärzte und Krankenhäuser bei der Ausübung ihrer Heilbehandlungstätigkeit die medizinisch unerlässlichen und gesetzlich vorgeschriebenen infektionshygienischen Anforderungen im Einzelfall erfüllen, als steuerbefreite Heilbehandlungsleistungen angesehen.

Die Steuerbefreiung für kulturelle Einrichtungen von Gebietskörperschaften sowie gleichartige Einrichtungen anderer Unternehmer, soweit diese gleiche kulturelle Aufgaben erfüllen, wird künftig auf die Leistungen der Bühnenregisseure und Bühnenchoreographen – an Theatern und Opernhäusern – ausgeweitet.

Verfahrensrecht

Die bisher maßgebliche Aufbewahrungsfrist für Steuerunterlagen soll in einem ersten Schritt ab 2013 auf acht Jahre und in einem weiteren Schritt ab 2015 auf sieben Jahre verkürzt werden.

Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 AO und Vorlageverlangen nach § 97 AO sollen künftig als gleichwertige Ermittlungsinstrumente eingestuft werden. Dies führt im Ergebnis dazu, dass die Finanzverwaltung künftig die sofortige Vorlage von Unterlagen – ohne vorheriges Auskunftsersuchen – verlangen kann.

Die bisher schon für Ehegatten geltenden Bestimmungen des 5. Vermögensbildungsgesetzes – z.B. Regelungen zur Unschädlichkeit vorzeitiger Verfügungen und die Anlage von vermögenswirksamen Leistungen zugunsten des Ehegatten – sind künftig auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften anzuwenden.

EU-Amtshilfegesetz

Mit dem neu eingeführten EU-Amtshilfegesetz wird die so genannte EU-Amtshilferichtlinie in nationales Recht umgesetzt. Das Gesetz regelt die Einzelheiten des Austauschs von Informationen in Steuersachen zwischen Deutschland und anderen Mitgliedstaaten der EU. Hierdurch soll eine effizientere Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten ermöglicht werden.


III. Aus der Rechtsprechung und der Steuerverwaltung

1. Einkommensteuer; § 7g EStG-Abschreibungen auf Photovoltaikanlagen

Die Sonderabschreibung nach § 7g EStG setzt u. a. voraus, dass das angeschaffte Wirtschaftsgut ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblichen Zwecken dient. Nach Rn. 46 des BMF-Schreibens vom 8. 5. 2009 (BStBl 2009 I S. 633) wird ein Wirtschaftsgut ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt, wenn es der Steuerpflichtige zu nicht mehr als 10 % privat nutzt. Maßgeblich kommt es dabei auf die unmittelbare Verwendung des Wirtschaftsguts an, für das ein Investitionsabzugsbetrag in Anspruch genommen werden soll. Die Verwendung des durch die Photovoltaikanlage produzierten Stroms zu mehr als 10 % für private Zwecke spricht dabei nicht gegen die Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags nach § 7g EStG. Auf die spätere Sachentnahme des produzierten Wirtschaftsguts „Strom” kommt es nach der Verfügung der OFD Niedersachsen vom 26. 3. 2012 – S 2183b - 42 - St 226 bei der Beurteilung der betrieblichen Nutzung des produzierten Wirtschaftsguts „Photovoltaikanlage” nicht an.

2. Umsatzsteuer; Beleg- und Buchnachweispflichten bei der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen; erneute Verlängerung der Nichtbeanstandungsregelungen im Zusammenhang mit der Gelangenheitsbescheinigung

Durch die „Zweite Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen” vom 2. 12. 2011 (BGBl 2011 I S. 2416) wurden u. a. die §§ 17a, 17b und 17c UStDV mit Wirkung vom 1. 1. 2012 geändert. Damit wurden für die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen neue Nachweisregelungen geschaffen. Die Vertreter des Bundes und der Länder haben auf Fachebene angesichts der Kritik der Wirtschaft an der Gelangensbestätigung eine (erneute) Änderung der UStDV befürwortet. Die Nichtbeanstandungsregelung wird daher mit BMF-Schreiben vom 1. 6. 2012 - IV D 3 - S - 7141/11/10003-06 bis zum Inkrafttreten der erneuten Änderung der UStDV verlängert. Mit der Änderung sollen in erster Linie die in dem derzeitigen Entwurf des BMF-Einführungsschreibens vorgesehenen Vereinfachungen und Erleichterungen abgesichert werden. Zusätzlich wird geprüft, ob weitere Vereinfachungen (auch mit Bezug auf die bisherigen Belege wie die sog. weiße Spediteursbescheinigung) möglich sind. Keinesfalls kann aber – wie teilweise von Verbandsseite gefordert – hinter die bis zum 31. 12. 2011 geltende Rechtslage zurückgegangen werden.

3. Bilanzierung; Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen

Nach dem BFH-Urteil vom 26. 4. 2012 – IV R 43/09 ist eine Rückstellung für Pensionsverpflichtungen nicht zu bilden, wenn eine Inanspruchnahme am maßgeblichen Bilanzstichtag infolge eines Schuldbeitritts nicht (mehr) wahrscheinlich ist. Dagegen ist ein Freistellungsanspruch wegen des Schuldbeitritts zu den Pensionsverpflichtungen in einem solchen Fall nicht zu aktivieren (gegen BMF-Schreiben vom 16. 12. 2005, BStBl 2005 I S. 1052).

 

4. Einkommensteuer; Schuldzinsenabzug bei auf ein Kontokorrentkonto ausgezahltes Investitionsdarlehen

 

Das BFH-Urteil vom 23. 2. 2012 - IV R 19/08 lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Ob Schuldzinsen i. S. des § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vorliegen [die nicht in abzugsfähig und nichtabzugsfähig aufgeteilt werden; Anmerkung des Verfassers], bestimmt sich ausschließlich nach der tatsächlichen Verwendung der Darlehensmittel.
  2. Es wird unwiderlegbar vermutet, dass auf ein Kontokorrentkonto ausgezahlte Darlehensmittel zur Finanzierung solcher Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens verwendet wurden, die innerhalb von 30 Tagen vor oder nach Auszahlung der Darlehensmittel tatsächlich über das entsprechende Kontokorrentkonto finanziert wurden. Beträgt der Zeitraum mehr als 30 Tage, muss der Steuerpflichtige den erforderlichen Finanzierungszusammenhang zwischen Auszahlung der Darlehensmittel und Bezahlung der Wirtschaftsgüter nachweisen.
  3. Die Finanzierung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens durch Belastung des Kontokorrentkontos reicht aus, um die dadurch veranlassten Schuldzinsen von der Überentnahmeregelung auszunehmen (entgegen Rn. 27 des BMF-Schreibens vom 17. 11. 2005, BStBl 2005 I S. 1019).

5. Einkommensteuer; Sanierung eines mit echtem Hausschwamm befallenen Gebäudes als außergewöhnliche Belastungen

Nach dem BFH-Urteil vom 29. 3. 2012 – VI R 70/10 stellen Aufwendungen zur Sanierung eines mit echtem Hausschwamm befallenen Gebäudes im Einzelfall ein unabwendbares Ereignis dar, wenn der Befall unentdeckt bleibt, die konkrete Gefahr der Unbewohnbarkeit eines Gebäudes droht und daraus eine aufwendige Sanierung folgt.

 

6. Einkommensteuer; Halb- bzw. Teilabzugsverbot bei Betriebsaufspaltung I (BFH)

Nach dem am 4.7.2012 veröffentlichten Urteil des BFH vom 18.4.2012 – X R 7/10 unterliegen Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen – unabhängig von der Frage der Fremdüblichkeit der Darlehensüberlassung und einer etwaigen Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis – nicht dem Halb- bzw. Teilabzugsverbot (gegen BMF, BStBl I 2010 S. 1292, Nr. 2). Diese Grundsätze gelten auch entsprechend im Falle des Verzichts auf ein nicht mehr werthaltiges Gesellschafterdarlehen.

7. Einkommensteuer; Halb- bzw. Teilabzugsverbot bei Betriebsaufspaltung II (BFH)

Substanzbezogene Wertminderungen von Rückgriffsforderungen aus der Inanspruchnahme aus im Betriebsvermögen gehaltenen Bürgschaften eines Gesellschafters für seine Gesellschaft sowie eine Rückstellungsbildung für die drohende Inanspruchnahme aus solchen Bürgschaften unterfallen nicht dem Halb- bzw. Teilabzugsverbot (BFH, Urteil  v. 18.4.2012 - X R 5/10; veröffentlicht am 4.7.2012).

8. Umsatzsteuer; Steuersatz auf Leistungen einer gemeinnützigen GmbH im Rahmen eines Zweckbetriebs

Der BFH hat mit Urteil vom 8. 3. 2012 – V R 14/11 u. a. entschieden, dass Übernachtungsleistungen, die ein gemeinnütziger Verein im Zusammenhang mit steuerfreien Seminaren erbringt, nicht gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG dem ermäßigten Steuersatz unterfallen.

 

9. Lohnsteuer; Werbungskosten durch Aufwendungen für arbeitsgerichtlichen Vergleich

Nach dem BFH-Urteil vom 9. 2. 2012 – VI R 23/10 besteht regelmäßig eine Vermutung dafür, dass Aufwendungen für aus dem Arbeitsverhältnis folgende zivil- und arbeitsgerichtliche Streitigkeiten einen den Werbungskostenabzug rechtfertigenden hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang zu den Lohneinkünften aufweisen. Dies gilt dabei grundsätzlich auch, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer über solche streitigen Ansprüche im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs einigen.

 


IV. Aus anderen Rechtsgebieten

1. Erbrecht; Pflichtteilsberechtigung bei Verzicht des näheren Abkömmlings (BGH)

Der BGH hat entschieden, dass Pflichtteilsansprüche eines weiter entfernten Abkömmlings nicht durch letztwillige oder lebzeitige Zuwendungen des Erblassers geschmälert werden, die der Erblasser einem trotz Erb- und Pflichtteilsverzichts testamentarisch zum Alleinerben bestimmten näheren Abkömmling zukommen lässt, wenn beide Abkömmlinge demselben Stamm gesetzlicher Erben angehören und allein dieser Stamm bedacht wird (BGH, Urteil v. 27.6.2012 - IV ZR 239/10).

2. Gesellschaftsrecht; Satzungsregelung zum Umfang der Gründungskosten einer Unter-nehmergesellschaft i. Gr.

Die Unternehmergesellschaft (UG) ist eine Variante der GmbH. Auf sie finden die allgemeinen die GmbH betreffenden Vorschriften Anwendung. Folglich ist erforderlich, dass nicht nur Firma und Unternehmensgegenstand einer solchen Gesellschaft – sowohl hinsichtlich ihrer Unterscheidungskraft als auch hinsichtlich der Individualisierung des Geschäftsgegenstands – den Anforderungen des § 18 HGB bzw. § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG genügen müssen. Es sind außerdem die von der UG zu tragenden Gründungskosten in der Gründungssatzung so hinreichend zu bestimmen, dass ein Dritter allein aus der Satzungsformulierung erkennen kann, ob bestimmte Kosten von der Gesellschaft erstattet werden (§ 26 Abs. 2 AktG analog). So entschied das Kammergericht Berlin mit Beschluss vom 28.2.2012 – 25 W 88/11.

 

3. Gesellschaftsrecht; Besondere Form der Anmeldung des Ausscheidens des Geschäftsführers durch Prokuristen

Im Hinblick auf den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 16.3.2012 - I-3 Wx 296/11, (rechtskräftig) ist darauf hinzuweisen, dass jede Änderung in den Personen der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden sind (§ 39 Abs. 1 GmbHG). Diese Anmeldung ist Pflicht des Geschäftsführers, kann aber im Einzelfall auch durch einen Bevollmächtigten erfolgen. Die Bevollmächtigung ist dann aber nur zulässig, sofern die Vollmacht diesen Inhalt hat und abweichend von § 167 Abs. 2 BGB elektronisch in öffentlich beglaubigter Form (§ 12 HGB) nachgewiesen wird. Daher reicht der gesetzliche Umfang von Prokura und Handlungsvollmacht als Bevollmächtigung für die Anmeldung über die Niederlegung des Amts des Geschäftsführers nicht aus. Dieses schon deshalb nicht, weil es sich dabei im Hinblick auf die einem Geschäftsführer zukommende Organstellung um einen Vorgang über die Grundlagen des kaufmännischen Unternehmens handelt.

4. Haftungsrecht; Prospekthaftungsanspruch gegen die Gründungsgesellschafter einer Publikums-KG

Nach dem BGH-Urteil vom 23.4.2012 – II ZR 211/09 hat ein Anleger, der einem geschlossenen Publikums-Immobilienfonds in Form einer KG über eine Treuhandkommanditistin beitritt, Schadensersatzansprüche gegen den Gründungsgesellschafter aus Prospekthaftung im weiteren Sinn, wenn er als Treugeber nach dem Gesellschaftsvertrag wie ein unmittelbar beitretender Gesellschafter behandelt werden soll.

 

5. Gesellschaftsrecht; Pflicht zur unverzüglichen Vorlage des Prüfergebnisses bei Anzeichen einer Krise

Die Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers insbesondere im Zusammenhang mit dem Eintritt einer Krise sind Gegenstand des Urteils des BGH vom 27. 3. 2012 - II ZR 171/10. Danach hat ein GmbH-Geschäftsführer, der nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss, sich bei Anzeichen einer Krise der Gesellschaft unverzüglich von einer unabhängigen Person beraten zu lassen, die für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifiziert ist. Dabei darf er es nicht damit bewenden lassen, dass er einen umgehenden Prüfungsauftrag erteilt hat. Er muss auch auf eine unverzügliche Vorlage des Prüfergebnisses hinwirken. Die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls, bei denen auch die Größe des zu beurteilenden Unternehmens zu berücksichtigen sein kann, erfordern u. U. die Beratung durch zusätzliche geeignete Angehörige anderer Berufsgruppen.

6. Mietrecht; Keine Anpassung der Vorauszahlung bei fehlerhafter Betriebskostenabrechnung

Der Vermieter ist nach einer Nebenkostenabrechnung zur Anpassung von Vorauszahlungen gem. § 560 Abs. 4 BGB nur insoweit berechtigt, als sie auf einer inhaltlich korrekten Abrechnung beruht (BGH-Urteile vom 15. 5. 2012 - VIII ZR 245/11 und VIII ZR 246/11).

 

(10.07.2012, Redaktion: Neulken & Partner)

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